1030 Wien

Weißgerberviertel (u. a. Hetzgasse 8), Stellungnahme Planentwurf 7975, 6. Mai 2016

Stellungnahme zum Entwurf Flächenwidmungs- und Bebauungsplan 7975, 3. Bezirk Landstraße, Katastralgemeinde Landstraße

für das Gebiet zwischen Hintere Zollamtsstraße, Bezirksgrenze zum 2. Bezirk (Donaukanal), Rotundenbrücke, Rasumofskygasse, Marxergasse, Blattgasse, Kegelgasse, Seidlgasse, Marxergasse, Markthallenbrücke, Obere Viaduktgasse und Hetzgasse

Der Verein Initiative Denkmalschutz gibt folgende Stellungnahme ab:

Der Verein begrüßt die im Planentwurf vorgesehenen Erweiterungen der Schutzzone, gleichzeitig wird vorgeschlagen noch folgende Häuser in die Schutzzone aufzunehmen (vgl. Plan anbei, vorgeschlagene Schutzonenerweiterung in oranger Farbe flächig hinterlegt):
Adamsgasse 2, 4, 3, 5
Dampfschiffstraße 8-8A, 18-20
Hetzgasse 3A bis 9, 13
Lorbeergasse 3
Löwengasse 2, 2A und 2B
Matthäusgasse 8-14 sowie 7, 11-13
Obere Viaduktgasse 28
Obere Weißgerberstraße 7-7a, 10-12, 14, 17, 19, 22
Radetzkygasse 24-26 und 25-27
Untere Viaduktgasse 2, 5, 9, 13
Untere Weißgerberstraße 6, 10, 7-11
Weißgerberlände 10
Weiters ist beim Objekt Untere Viaduktasse 2 der Vorschlag bzgl. Bebauungsplan zu beachten, siehe dort.

Die Gebäude im Einzelnen:

1030 Wien Adamsgasse 2 (Untere Viaduktgasse 9), 3, 4: erbaut in den 1860er Jahren, Häuser mit gut erhaltener Gründerzeitfassade.
Adamsgasse 5: repräsentativer Gründerzeitbau, erbaut 1886.
Dampfschiffstraße 8-8a (Löwengasse 2): Reich gegliederter und dekorierter, monuntaler Gründerzeitbau, mit Rundturmerker, erbaut 1890 Dampfschiffstraße 18 (FOTO; Radetzkystraße 24-26, Obere Weißgerberstraße 17): Erbaut 1847-49 von Josef Kastan. Repräsentative turmartige Ecklösung gegen den Donaukanal; bemerkenswerte frühe Aufnahme neogotischer Formen im Zinshausbau. Der weitere geplante Dekor wurde nicht ausgeführt (Dehio, ÖKT S.29)
Dampfschiffstraße 20 (FOTO; Obere Weißgerberstraße 19): Nachhistoristisches Zinshaus mit Ateliergiebel und Zopfornamentik. Erbaut 1911 vom Atelier Brüder Drexler, Baumeister Gustav Holaubek. Bauherr Leopold und Julie Rosett. (ÖKT S.29; Achleitner S.123)
Hetzgasse 3a-9: Das gerade in Renovierung befindliche frühgründerzeitliche Gebäude Hetzgasse 9 (= Obere Viaduktgasse 28) wurde 1861 von Baumeister Franz Schebek mit geometrisierenden, frühhistoristischer Ornamentik erbaut (ÖKT S.104). Das Haus Hetzgasse 7 (Ecke Matthäusgasse 13) wurde 1884 erbaut. Das 1858 erbaute Gründerzeithaus Hetzgasse 5 (Ecke Matthäusgasse 14) zeichnet sich besonders durch seine Ecklösung mit Rundtürmchen, kleinen Blendfenstern sowie seiner insgesamt fein gegliederten und gut erhaltenen Fassadengliederung (-dekor) aus (ÖKT S.46). Das 1875 erbaute Gründerzeithaus Hetzgasse 3a besitzt ebenso noch eine gut erhaltene Gründerzeitfassade.
Hetzgasse 13: 1877 erbaute, Gründerzeithaus mit einer gut erhaltenen und historistisch gegliederten Fassade
Kolonitzgasse 6-8: Das Gründerzeithaus Kolonitzgasse 6 bildet mit dem schräg gegenüberliegenden, besonders wertvollen Haus Matthäusgasse 8 (siehe dort) eine prägnante Platzgestaltung. Das Haus Kolonitzgasse 8 weist noch eine sehr gut erhaltene gegliederte Gründerzeitfassade auf.

Löwengasse 2B: Erbaut 1859 von A.(?) Baumgartner; spätbiedermeierlich-frühhistoristisches Zinshaus, Mittelrisalit mit Kolossalpilastern und Frontispiz; Einfahrt mit Kreuzgratgewölben über Gurtbögen; Vierpfeilerstiege.
Lorbeergasse 2, 3 und 4: Frühhistoristische Zinshäuser (vgl. Dehio). Insbesondere das Haus Lorbeergasse 3 zeichnet sich durch seine reiche fühhistoristische Fassadengliederung samt dekorativen Parapetfeldern aus.
Matthäusgasse 8 (FOTO): Dass das Haus nicht für die Schutzzonenwidmung vorgesehen ist, ist mehr als erstaunlich. Dieses für das Grätzl außergewöhnliche secessionistische Haus wurde 1901 von Baumeister Karl Michna erbaut, mit einer repräsentativen Ecklösung, Erkergliederung und Ateliergiebel (wahrscheinlich für das Architektenatelier Drexler), teilweise floralem Dekor und besitzt eine sesessionistische Holztüre mit Gitter (ÖKT S.94; Dehio S.120).
Matthäusgasse 10-14: Frühhistoristische, um 1860 erbaute Häuser mit additiver Gliederung und Parapetdekor.
Obere Weißgerberstraße 7-7A (Löwengasse 2A): 1890 erbauter Gründerzeitbau, baugleich wie Dampfschiffstraße 8-8a, jedoch mit großteils abgeschlagener Fassadengliederung, gegliederte Erker, Rundturmerker.
Obere Weißgerberstraße 10-12: reich gegliederter, repräsentativer Gründerzeitbau, erbaut 1898
Obere Weißgerberstraße 22: 1887 erbauter Gründerzeitbau mit gut erhaltener zeittypischer Fassadengliederung und Fassadendekoration.
Radetzkystraße 25-27: Monumentaler Straßenhof, 1905 erbaut vom Architektenbüro Brüder Drexler für die Wiener Molkerei (ÖKT S.107). Fassade zum Teil vereinfacht. Im Inneren gut erhalten.

1030 Wien Untere Viaduktgasse 2 (gegenüber Nr. 35): Das ehemalige Verwaltungsgebäude des alten Bahnhofs “Hauptzollamt”, das um 1900 erbaut wurde, ist der letzte Rest der von Otto Wagner gestalteten historischen Bahnhofsanlage (heute “Wien-Mitte”) und steht per Bescheid unter Denkmalschutz. Gemäß Baurechtsexposè der ÖBB-Immobilienmanagement GesmbH aus 2011 ist aus Denkmalschutzgründen “eine Überbauung des Baudenkmals unzulässig” (S. 7). Es wird vorgeschlagen, dieses Gebäude in die Schutzzone aufzunehmen, da das Gebäude bereits unter Denkmalschutz steht und die Schutzzone leicht erweitert werden kann, da der Straßenzug gegenüber als Schutzzone im Planentwurf vorgesehen ist. Ansonsten muss man annehmen, dass die Stadt Wien im Gegensatz zum Bundesdenkmalamt kein Interesse an der Erhaltung dieses historischen Teiles der Bahnhofsanlage hat. Auch die im Planentwurf vorgesehenen Bebauungsbestimmungen laufen den Erhaltungsinteressen zuwider (Höhenwidmung für das einstöckige Gebäude Bauklasse IV; an 3 von 4 Seiten fallen die Baufluchtlinien nicht mit dem Bestand zusammen). Es wird daher vorgeschlagen eine genaue Bestandswidmung in der Höhe vorzunehmen und an zumindest 3 Seiten die Baufluchtlinien dem Bestansgebäude exakt anzupassen (nur an der Südwestfassade wäre ein geeigneter Spielraum vorhanden um davon abzuweichen).
Untere Viaduktgasse 5: Frühgründerzeithaus, 1859 erbaut, einfache Fassadengliederung (gerade Fensterverdachung).
Untere Viaduktgasse 13: In diesem Haus befindet sich im Hinterhof die ehemalige Vereinssynagoge “Beth Hachneseth”, erbaut 1870, jetzt Künstleratelier von Christian Ludwig Attersee (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Vereinssynagoge_Untere_Viaduktgasse)
Untere Weißgerberstraße 6: Gründerzeithaus mit einfacher Fassadengliederung (gerade Fensterverdachungen).
Untere Weißgerberstraße 7: erbaut ca./nach 1875, reich gegliederte Gründerzeitfassade.
Untere Weißgerberstraße 9-11: erbaut 1910, Reste der Gründerzeitfassade, insbesondere reich dekoriertes Rundfenster über Hauseingang. Im Inneren gut erhalten.
Untere Weißgerberstraße 10: Straßentrakt erbaut 1903, genutete Fassade, mit Supraportenreliefs über den seitlichen Hauseingängen. Im Inneren secessionistisches Stiegengeländer. Im Hof ebenerdiger Bau (ehem. “Kinder-Bewahr-Anstalt”) aus ca. 1883 mit gründerzeitlicher Fassadengliederung.
Weißgerberlände 10: 1910 erbauter, repräsentativer und reich ausgestatteter Mietshausbau, baugleich wie Weißgerberlände 12. Trotz zum Teil abgeschlagener Fassade repräsentatives Erscheinungsbild. Im Inneren gut erhalten.

Schutzzonenerweiterungen zu prüfen wären:
(im Plan anbei orange schraffiert markiert, siehe BEILAGE)
Dampfschiffstraße 16 (Radetzkystraße 31): erbaut 1862, reich gegliederter, repräsentativer Eckerker mit frühgründerzeitlichem Dekor erhalten.
Hetzgasse 11 (Untere Viaduktgasse 29; 1880 erbaut)
Hintere Zollamtsstraße 3-5 (Frühgründerzeithäuser, erbaut 1842 und 1851)
Obere Weißgerberstraße 20 ;(erbaut 1887, baugleich wie Nr. 22, jedoch mit zum Teil abgeschlagener Fassadengliederung)
Untere Viaduktgasse 3: erbaut 1859

Fotos:
– Dampfschiffstraße 18-20, Initiative Denkmalschutz
– Matthäusgasse 8, Initiative Denkmalschutz
Beilage:
– Vorschlag für Schutzzonenerweiterung
– Wiener Schutzzonenmodell aus 1996, Ausgangslage, Magistratsabteilung 19 www.idms.at/images/IDMS/x_diverse/Schutzzonenplan.jpg <<<<<
Rückfragehinweis:
Markus Landerer und Claus Süss
mobil: 0699 / 1024 4216 und 0676 / 740 43 27
Verein Initiative Denkmalschutz

Quellen:

  • Dehio Handbuch – Die Kunstdenkmäler Österreichs, Wien II.-IX. und XX. Bezirk, Topographisches Denkmälerinventar, Herausgegeben vom Bundesdenkmalamt, Wien 1993
  • Österreichische Kunsttopographie Band XLIV, Die Kunstdenkmäler Wiens – Die Profanbauten des III., IV:, und V. Bezirkes, Wien 1980 (Hrsg. Bundesdenkmalamt)
  • Friedrich Achleitner, Österreichische Architektur im 20. Jahrhundert, Band III/1, Wien 1.-12. Bezirk, Salzburg und Wien 1990
  • Generalstadtplan 1904 bzw. 1912 im Kulturgüterkataster der Stadt Wien, siehe “Historische Stadtpläne” in: https://www.wien.gv.at/kulturportal/public/

In dieser Stellungnahme erwähnte Objekte:
Adamsgasse 2, Adamsgasse 3, Adamsgasse 4, Adamsgasse 5; Dampfschiffstraße 8, Dampfschiffstraße 8A, Dampfschiffstraße 18, Dampfschiffstraße 20; Hetzgasse 3A, Hetzgasse 9, Hetzgasse 13; Lorbeergasse 3; Löwengasse 2, Löwengasse 2A, Löwengasse 2B; Matthäusgasse 7, Matthäusgasse 8, Matthäusgasse 10, Matthäusgasse 11, Matthäusgasse 12, Matthäusgasse 13, Matthäusgasse 14; Obere Viaduktgasse 28; Obere Weißgerberstraße 7, Obere Weißgerberstraße 7a, Obere Weißgerbergstraße 10, Obere Weißgerberstraße 12, Obere Weißgerberstraße 14, Obere Weißgerberstraße 17, Obere Weißgerberstraße 19, Obere Weißgerberstraße 22; Radetzkygasse 24, Radetzkygasse 25, Ratetzkygasse 26, Radetzkygasse 27; Untere Viaduktgasse 2, Untere Viaduktgasse 5, Untere Viaduktgasse 9, Untere Viaduktgasse 13; Untere Weißgerberstraße 6, Untere Weißgerberstraße 7, Untere Weißgerberstraße 9, Untere Weißgerberstraße 10, Untere Weißgerberstraße 11; Weißgerberlände 10